Ein Autofahrer, der plötzlich und unerwartet die Fahrspur wechselt, haftet für die Folgen eines darauf zurückzuführenden Unfalls allein. Das gilt auch dann, wenn der Unfallgegner die Richtgeschwindigkeit erheblich überschritten hat, so das Landgericht Kiel in einem Urteil (Az.: 13 O 130/15).
Ein Mann war mit seinem Pkw auf der rechten Fahrspur der Autobahn A7 unterwegs. In Höhe einer Anschlussstelle wollte er einem anderen Fahrzeug die Auffahrt auf die Autobahn ermöglichen. Er wechselte daher auf die linke Fahrspur. Dabei kam es zu einer Kollision mit einem sich von hinten mit hoher Geschwindigkeit nähernden Auto, das von einer Frau gefahren wurde.
Überhöhte Geschwindigkeit?
Die hinzugerufene Polizei kam aufgrund der Beschädigungen der beiden Fahrzeuge zu dem Schluss, dass es zu dem Unfall nur deswegen gekommen war, weil der Pkw-Fahrer, der die Fahrspur gewechselt hatte, dabei unachtsam gewesen war. Ein ihm daraufhin auferlegtes Verwarnungsgeld in Höhe von 35 Euro wurde anstandslos von ihm gezahlt.
Erst später glaubte der Mann, dass nicht er, sondern die Unfallgegnerin schuld an dem Unfall gewesen sei. In seiner gegen die Frau eingereichten Klage trug er vor, dass er vor dem Spurwechsel in den linken Seitenspiegel geschaut und auch einen sogenannten Schulterblick vollzogen habe. Er habe außerdem den Blinker gesetzt.
Zu dem Unfall sei es nur deswegen gekommen, weil die Beklagte mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit unterwegs gewesen sei.
Verstoß gegen Straßenverkehrsordnung
Doch dem wollten sich die Richter des Kieler Landgerichts nicht anschließen. Sie wiesen die Klage als unbegründet zurück.
Nach Überzeugung der Richter spricht der Beweis des ersten Anscheins nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme eindeutig gegen die Darstellung des Klägers. Denn dieser habe ganz offenkundig gegen Paragraf 7 Absatz 5 StVO (Straßenverkehrsordnung) verstoßen. Danach darf ein Fahrstreifen nämlich nur dann gewechselt werden, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.
In dem entschiedenen Fall kann nach Ansicht des Gerichts aus der Art der Beschädigungen geschlossen werden, dass sich das generische Fahrzeug schon so dicht schräg hinter dem Auto des Klägers befand, dass der Fahrerin kein rechtzeitiges Abbremsen oder Ausweichen mehr möglich war, als der Kläger die Fahrspur wechselte.
Keine Mithaftung wegen hoher Geschwindigkeit
Dafür, dass der Kläger zumindest zunächst von einem eigenen Verschulden ausging, spricht nach Meinung der Richter auch die Tatsache, dass er das gegen ihn verhängte Verwarnungsgeld widerspruchslos hingenommen hat.
Die Richter vermochten auch keine Anzeichen dafür erkennen, dass sich die hohe Geschwindigkeit des Fahrzeugs der Beklagten, die nicht bestritten hatte, mit 160 bis 180 Stundenkilometern unterwegs gewesen zu sein, auf das Zustandekommen des Unfalls ausgewirkt hat.
Ihr könne daher keine Mithaftung wegen der Überschreitung der auf Autobahnen geltenden Richtgeschwindigkeit von 130 Stundenkilometern angelastet werden.