Krankgeschriebene gesetzlich Krankenversicherte, die mit Billigung ihres behandelnden Arztes einen Kurzurlaub in einem EU-Mitgliedsstaat antreten wollen, haben während dieser Zeit in der Regel weiterhin einen Anspruch auf Zahlung von Krankentagegeld. Das hat das Bundessozialgericht jüngst entschieden (Az.: B 3 KR 23/18 R).
Ein gesetzlich krankenversicherter Mann war wegen einer Erkrankung seiner Wirbelsäule für längere Zeit krankgeschrieben worden. Er bezog ab Ende Juli 2014 Krankengeld. Anfang September 2014 teilte er seiner Krankenkasse mit, dass er in der Zeit vom 8. bis 12. September 2014 Urlaub in einem Ferienhaus in Dänemark machen wolle. Seine behandelnde Ärztin hatte, aus medizinischer Sicht betrachtet, nichts gegen den Kurzurlaub einzuwenden.
Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) erhob dennoch Bedenken wegen der langen Hin- und Rückreise mit dem Auto. Denn die damit verbundene Wirbelsäulen-Zwangshaltung könnte dazu führen, dass sich die Arbeitsunfähigkeit verlängerte.
Verweigerte Zustimmung
Mit Hinweis auf die Aussage des MDK wollte die Krankenkasse des betroffenen Arbeitnehmers als ein Träger der gesetzlichen Krankenversicherung daraufhin dem Auslandsaufenthalt nicht zustimmen. Der MKD ordnete gleichzeitig das Ruhen des Krankengeldanspruchs für die Zeit des Urlaubs an.
Mit seiner daraufhin eingereichten Klage hatte der Mann zunächst keinen Erfolg. Das in erster Instanz mit dem Fall befasste Sozialgericht Halle attestierte der Krankenkasse, die Entscheidung ohne Ermessensfehler getroffen zu haben. Es wies die vorgebrachte Beschwerde des betroffenen Arbeitnehmers daher als unbegründet zurück.
Das von dem Mann in Berufung angerufene Landessozialgericht Sachsen-Anhalt wollte sich dem nicht anschließen. In Fällen, in denen unstreitig eine Arbeitsunfähigkeit festgestellt worden ist, und wie im Fall des Klägers, keine Missbrauchsgefahr besteht, bleibe einer Krankenkasse kein Raum für Ermessungsabwägungen. Es komme nämlich nicht darauf an, ob sich ein Versicherter im In- oder Ausland gesundheitsfördernd verhält. Das Gericht gab daher der Berufung des Arbeitnehmers statt.
Revision beim Bundessozialgericht
Diese Niederlage wollte wiederum die Krankenkasse nicht hinnehmen und legte daher Revision beim Bundessozialgericht (BSG) ein. Die Krankenkasse begründete dies im Wesentlichen damit, dass sich die europarechtlichen Vorschriften zur Arbeitnehmer-Freizügigkeit und zu den Leistungen bei Krankheit nicht an Touristen richten würden, die bei bestehender Arbeitsunfähigkeit ins Ausland reisen. Dem wollte das Bundessozialgericht nicht folgen. Es wies die Revision als unbegründet zurück.
Nach Ansicht der Richter durfte die Krankenkasse den Auslandsaufenthalt des Klägers nicht ablehnen. Sie sei auch nicht dazu berechtigt gewesen, den Anspruch auf Zahlung von Krankengeld während dieser Zeit ruhen zu lassen. Für diesen Anspruch würden im Fall eines Auslandsaufenthalts in einem EU-Mitgliedstaat nämlich die europäischen Regelungen zum Geldleistungsexport gelten.
Danach hätten Versicherte, die sich in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat aufhalten, Anspruch auf Geldleistungen, die vom zuständigen Träger nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften erbracht würden.
Keine rechtlichen Konsequenzen gezogen
Sollte die Krankenkasse tatsächlich Bedenken gegen die Reise gehabt haben, weil sie eine Verschlimmerung des Gesundheitszustands des Versicherten und entsprechend eine Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit befürchtete, so hätte sie daraus rechtliche Konsequenzen ziehen müssen. Diese rechtlichen Konsequenzen hätten beispielsweise darin bestehen können, vom Kläger zu verlangen, sich einer erneuten ärztlichen Untersuchung zu unterziehen oder an einer Heilbehandlung teilzunehmen.
Da das nach den Feststellungen des Landessozialgerichts nicht geschehen ist, habe die Krankenkasse dem Kläger auch für die Zeit seines Kurzurlaubs Krankengeld zu zahlen. Auch bisherige Gerichtsurteile belegen, dass das Verreisen während einer Krankschreibung in der Regel zulässig ist, wenn man damit die Genesung nicht gefährdet. So hat das Karlsruher Sozialgericht in einem vergleichbaren Fall letztes Jahr entschieden (Az.: S 4 KR 2398/17), dass ein GKV-Versicherter Anspruch auf Krankengeldfortzahlung während einer von seinem Arzt erlaubten Auslandsreise hat.
Wer krankgeschrieben ist und verreist, obwohl er damit den Heilungserfolg gefährdet, kann nicht nur seinen Krankengeldanspruch verlieren, sondern ihm kann auch fristlos gekündigt werden, wie unter anderem ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (Az.: 2 AZR 53/05) zeigt. Um Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen, sollte man sich für eine geplante Reise im Krankenstand vom Arzt bestätigen lassen, dass dadurch die Genesung nicht behindert wird. Zudem sollte man die Krankenkasse über die vom Arzt genehmigte Reise informieren.