Selbst wer an einer Kreuzung von rechts kommt und im Rahmen der Vorfahrtsregel „rechts vor links“ eigentlich Vorfahrt hätte, muss je nach Umstand dennoch vorsichtig sein und auf andere Verkehrsteilnehmer, die von links kommen, achten, wie eine Gerichtsentscheidung verdeutlicht.
Mithaftung für Autounfall trotz Vorfahrt
20.11.2023 (verpd) Ein Kfz-Fahrer hatte gegen die Vorfahrtsregel „rechts vor links“ verstoßen und wurde dadurch in eine Kollision mit einem bevorrechtigten Verkehrsteilnehmer verwickelt. Er ist dafür nicht generell allein verantwortlich. Es kommt vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an. Das geht aus einem Urteil des Amtsgerichts Hechingen hervor (6 C 233/18).
Ein Mann war mit seinem Lkw im Bereich einer Kreuzung mit einem von links kommenden Auto kollidiert. Hier galt die Vorfahrtsregel „rechts vor links“. Deshalb sah der Lkw-Fahrer allein den Fahrer des Pkws in der Verantwortung für den entstandenen Schaden. Denn schließlich habe ihm dieser die Vorfahrt genommen.
Kollision an einer unübersichtlichen Kreuzung
Der Autofahrer wiederum hielt den Lkw-Fahrer für zumindest mitverantwortlich am Zustandekommen des Unfalls. Denn er selbst hatte sich nur langsam der für alle Verkehrsteilnehmer schwer einzusehenden Kreuzung genähert und war vorsichtig in sie eingefahren.
Sein Unfallgegner hingegen war mit einer den Sichtverhältnissen nicht angemessenen, deutlich überhöhten Geschwindigkeit gefahren. Dieser Argumentation schloss sich das Hechinger Amtsgericht an. Es hielt gleichwohl den Lenker des Personenkraftwagens ganz überwiegend für die Kollision verantwortlich.
Eine Frage der Geschwindigkeit
Nach der Feststellung eines Sachverständigen war offenkundig auch der Beklagte zu schnell unterwegs. Denn wäre er langsamer gefahren, hätte er den Lkw rechtzeitig erkennen und den Unfall vermeiden können.
An einer Kreuzung, an welcher die Vorfahrtsregel „rechts vor links“ gelte, stehe einem von rechts kommenden Verkehrsteilnehmer allerdings nur die halbe Vorfahrt zu. Denn schließlich habe auch er den für ihn von rechts kommenden Verkehrsteilnehmern Vorfahrt zu gewähren. Daher müsse er sich mit angemessener Geschwindigkeit der Kreuzung nähern. Das gelte insbesondere dann, wenn diese schlecht einsehbar sei.
Beteiligung an unfallbedingten Aufwendungen
Bei der Auswertung des Datenschreibers hatte der Gutachter festgestellt, dass der Lkw-Fahrer mit einer Geschwindigkeit von 27 bis 30 Stundenkilometern in die Kreuzung hineingefahren war. Zur Vermeidung eines Unfalls auch mit Autos, die ihm gegenüber gegebenenfalls bevorrechtigt gewesen wären, hätte er nach Meinung des Sachverständigen aber nur mit 12 bis 14 Stundenkilometer fahren dürfen.
Die Richter hielten ihn daher für schuldig, die Kollision mitverursacht zu haben. Angesichts der nicht zu bestreitenden Vorfahrtsverletzung des Pkw-Fahrers muss er sich trotz der deutlich höheren Betriebsgefahr seines Wagens allerdings nur mit einer Quote von 25 Prozent an seinen unfallbedingten Aufwendungen beteiligen.