Wann ein Unfallbeteiligter trotz Vorfahrt mit haften muss

Wenn es unter zwei abbiegenden Kfz-Fahrern zu einem Unfall kommt, kann auch dem eigentlich Vorfahrtsberechtigten eine Mitschuld angelastet werden, wenn er einen Fahrfehler begangen hat, wie ein Gerichtsurteil verdeutlicht

Wann ein Unfallbeteiligter trotz Vorfahrt mit haften muss

29.4.2024 (verpd) Kommt es im Bereich einer Einmündung zu einer Kollision, weil ein nach links abbiegender Vorfahrtsberechtigter die Kurve schneidet, ist dieser trotz seiner Bevorrechtigung überwiegend für den Unfall verantwortlich. Das geht aus einem Urteil des Landgerichts München II hervor (11 O 2351/21).

Ein Autofahrer war mit seinem Pkw nach rechts auf eine Vorfahrtsstraße abgebogen. Dabei war seine Sicht wegen einer Hecke eingeschränkt.

Zum gleichen Zeitpunkt wollte ein Kleinkraftradfahrer mit seinem Bike von der Vorfahrtsstraße nach links in die Straße, aus welcher der Autofahrer fuhr, einbiegen. Dabei schnitt er die Kurve. Daher kam es im Einmündungsbereich zu einer Kollision der beiden Fahrzeuge.

Vorfahrtsverletzung des Autofahrers

Nach anfänglichem Bestreiten musste der Fahrer des Kraftrades einräumen, die Kurve geschnitten zu haben. Er fühlte sich aber nicht für den Unfall verantwortlich. Denn die Kollision habe sich auf der Vorfahrtsstraße ereignet. Es sei daher von einer Vorfahrtsverletzung des Autofahrers auszugehen. Schließlich erstrecke sich das Vorfahrtsrecht auf die gesamte Straßenbreite.

Dem hielt der Kläger entgegen, dass der Unfall für ihn unvermeidbar gewesen sei. Denn er sei beim Abbiegen mit mäßiger Geschwindigkeit am äußerst rechten Fahrbahnrand gefahren. Wegen der Hecke habe er das Kleinkraftrad nicht wahrnehmen können.

Unabhängig davon habe er nicht damit rechnen müssen, dass dessen Fahrer die Kurve schneiden und ihm auf seiner Fahrbahn entgegenkommen werde.

Beiderseitiges Verschulden

Das ändert nach Ansicht des schließlich mit dem Fall befassten Münchener Landgericht zwar nichts daran, dass der Kläger das Vorfahrtsrecht des Kraftrades verletzt hatte. Es hielt dessen Fahrer dennoch überwiegend verantwortlich für die Kollision.

Nach den Feststellungen eines Sachverständigen müsse davon ausgegangen werden, dass das Kleinkraftrad dem Pkw tatsächlich auf dessen Fahrbahnseite entgegengekommen war. Zum Unfall wäre es angesichts der Sichtbehinderung durch die Hecke daher auch dann gekommen, wenn der Kläger zunächst vor der Vorfahrtsstraße angehalten und nicht unmittelbar nach rechts abgebogen wäre.

Haftungsverteilung

Zwar erstrecke sich die Vorfahrt auf die gesamte Breite einer Vorfahrtsstraße. Ein Vorfahrtsberechtigter müsse beim Abbiegen gleichwohl eine Fahrlinie wählen, die nicht die linke Fahrbahn des Querverkehrs berühre. „Er muss vielmehr den Mittelpunkt der Trichterbreite rechts umfahren“, so das Gericht.

Angesichts der Vorfahrtsverletzung des Klägers sowie des Fehlverhaltens des Beklagten hielten die Richter eine Haftungsverteilung von 60 zu 40 Prozent zulasten des Fahrers des Kleinkraftrades für angemessen.

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